24. November 2005 Von President Aus

Wie viele Klicks?

Einige theoretische Überlegungen dazu!

Viele von uns besitzen eine Sportpistole im Kaliber 22 l.r. Nicht selten aber will ein 50m-Schütze ein 25m-Schiessprogramm oder umgekehrt absolvieren. Dabei stellt sich dann oft die Frage: „Um wie viele Klicks muss ich meine Visierung verstellen?“ Hört man sich dabei etwas um, so erstaunt einem, was für Antworten auf eine solche Frage gegeben werden.
Ich möchte darum die Antwort auf diese Frage etwas beleuchten.

Basisdaten
Sportpistolen
Sportpistolen sind präzise Waffen und nahezu in allen Fällen für das Kaliber 22 l.r eingerichtet. Daneben gibt es aber auch eine wesentlich geringere Anzahl Waffen, die für die Kaliber 32 S&W long und 38 Special vorgesehen sind. Dazu kommen Waffen für die Olympische Schnellfeuer Disziplin im Kaliber 22 short. Sportpistolen unterscheiden sich für unsere ballistischen Betrachtungen im wesentlichen nur in den Lauflängen, welche – bei gleicher Munition – einen Einfluss auf die Mündungsgeschwindigkeit haben.
Die waffenabhängigen Parameter wurden für die Berechnung der Geschossflugbahn wie folgt festgelegt:
· Höhe der Visierlinie über der der Laufseelenachse: 25 mm
Dies ist ein an Sportpistolen übliches Mass und somit realitätsbezogen.
Sportpistolenvisierungen sind in nahezu allen Fällen so reguliert, dass sich die Trefferlage bei 1 Klick 10mm auf 50m und 5 mm auf 25m verschiebt.

Die Patrone 22 l.r. (22 long rifle)
Die 22 l.r. ist wohl die Patrone, die weltweit in den höchsten Stückzahlen hergestellt wird. Seit diese Patrone auf dem Markt erschienen ist (Ende 19. Jahrhundert!), wurde sie permanent bezüglich Herstellung und Schusspräzision verbessert.
Die Qualität der sich heute auf dem Markt befindlichen Patronen schwankt von schlecht bis sehr gut. Da Qualität bekanntlich noch nie gratis war, schwanken auch die Preise von tief bis sehr hoch.
Für den technisch interessierten Schützen hier noch einige Daten zur Patrone. Alle diese Daten stellen Maximalwerte gemäss CIP dar. Die sich auf dem Markt befindlichen Patronen – unabhängig vom Hersteller und/oder Typ – sind in der Regel eher kleiner, dürfen aber diese Maximalwerte nicht überschreiten.

Geschossdurchmesser max5.72 mm
Hülsenaussendurchmesser max.5.72 mm
Aussendurchmesser des Randes max. 7.06 mm
Dicke des Randes max. 1.12 mm
Hülsenlänge max. 15.57 mm
Gasdruck max. 1800 bar


Die munitionsabhängigen Parameter wurden für die Berechnung der Geschossflugbahn wie folgt festgelegt:

Geschossgewicht 40 grains / 2.59 gramm
Mündungsgeschwindigkeit 290 m/s bis 330 m/s
Ballistischer Koeffizient (BC) 0.109 bis 0.162


Nahezu alle Sportpatronen aller Hersteller im Kaliber 22 l.r. sind mit 40 grains Geschossen versehen.
Der gewählte Bereich der Mündungsgeschwindigkeiten basiert einerseits auf Herstellerangaben aber auch auf von mir gemessenen effektiven Werten an Sportpistolen. Die meisten verwendeten Patronen werden im Bereich von 290 m/s bis 310 m/s liegen. Mündungsgeschwindigkeiten von 330 m/s aus einer Sportpistole müssen als (zu) hoch bezeichnet werden. Es gibt jedoch auch sogenannte High Speed Patronen, die Mündungsgeschwindigkeiten im Bereich von 400 m/s erreichen. Dies jedoch oft mit leichteren Geschossen. Solche Patronen sind für Sportpistolen ungeeignet und können diese je nach Marke und Modell sogar beschädigen!
Die ballistischen Koeffizienten wurden mit Hilfe von Angaben der Geschossgeschwindigkeiten an der Mündung und nach einer Distanz von 100 m der Munitionshersteller berechnet.
Die gewählten Werte scheinen mir darum realitätsbezogen zu sein.

Scheibendaten
Der Durchmesser des schwarzen Zentrums beträgt sowohl bei der 25m-Präzisionsscheibe nach ISSF wie auch bei der 50m-P-Scheibe nach SSV genau 200mm. Dies bedeutet, dass ab Aussendurchmesser des schwarzen Kreises bis ins Zentrum für beide Scheiben ein Mass von 100mm gilt. Bei den nachfolgenden Überlegungen muss darum keine Korrektur für unterschiedliche Masse vorgenommen werden.
Die Durchmesser der 10er-Kreise betragen bei der 25m-Präzisionsscheibe 50 mm und bei der 50m-P-Scheibe 100 mm.

Flugbahn der Geschosse
Ich habe nun die Flugbahn der Geschosse für verschiedene Mündungsgeschwindigkeiten und verschiedene ballistische Koeffizienten berechnet. Die verwendeten Werte lagen natürlich innerhalb der vorhergehend definierten Bereiche, damit die Resultate auch praxisbezogen sind.

Vergleich / Resultate

Fall 1 / 50m-Schütze schiesst auf 25m
Die Waffe ist eingeschossen auf 50m. Der Schütze schiesst nun aber mit dieser Waffe und ohne Visierkorrektur auf die Distanz von 25m. Die untenstehende Tabelle zeigt die Änderung der Trefferlage. Ein + (Plus) als Vorzeichen bedeutet einen Hochschuss, ein – (Minus) als Vorzeichen bedeutet einen Tiefschuss.

Ballistischer Koeffizient Mündungs- geschwindigkeit Mündungs- geschwindigkeit Mündungs- geschwindigkeit Mündungs- geschwindigkeit 
290 m/s300 m/s310 m/s330 m/s
0.109+ 27mm+ 25mm+ 23mm+ 19mm
0.135+ 26mm+ 24mm+ 22mm+ 19mm
0.162+ 26mm+ 24mm+ 22mm+ 18mm


Fall 2 / 25m-Schütze schiesst auf 50m
Die Waffe ist eingeschossen auf 25m. Der Schütze schiesst nun aber mit dieser Waffe und ohne Visierkorrektur auf die Distanz von 50m. Die untenstehende Tabelle zeigt die Änderung der Trefferlage. Ein + (Plus) als Vorzeichen bedeutet einen Hochschuss, ein – (Minus) als Vorzeichen bedeutet einen Tiefschuss.

Ballistischer Koeffizient Mündungs- geschwindigkeit Mündungs- geschwindigkeit Mündungs- geschwindigkeit Mündungs- geschwindigkeit 
290 m/s300 m/s310 m/s330 m/s
0.109– 54mm– 50mm – 46mm – 38mm 
0.135– 53mm – 49mm – 45mm – 37mm 
0.162– 52mm – 48mm – 44mm – 37mm 


Bedeutung der Resultate für den Schützen
Fall 1 / 50m-Schütze schiesst 25m
Betrachten wir nur die Extremwerte. Die Resultate sagen aus, dass wenn ein Schütze mit seiner auf die Distanz von 50m eingeschossenen Waffe auf die Distanz von 25m wechselt und keine Korrektur an der Visierung vornimmt, der Treffer auf der Scheibe je nach verwendeter Munition und Waffe zwischen 18 und 27 mm über das Scheibenzentrum zu liegen kommt. Da der 10er-Ring der 25m-Scheibe einen Durchmesser von 50mm aufweist, bedeutet dies, dass nahezu aller seine Treffer, unabhängig von Munitionssorte und Waffe immer noch in den 10er-Ring zu liegen kommen, nämlich alle „Hochschüsse“ bis 25mm.
Rein theoretisch ist keine Visierkorrektur notwendig. Auf jedenfalls reicht eine nicht vorgenommene Visierkorrektur nicht als Ausrede für ein schlechtes Resultat. Auch bei der maximalen Abweichung sind alle Treffer noch mindestens Neuner.
Dies setzt aber zusätzlich noch voraus, dass der Schütze auf beide Distanzen mit exakt gleichem Zielbild arbeitet. In der Realität ist die aber eher selten der Fall.
So, nun zur korrekten Antwort auf die Frage „Wie viele Klicks?“. Will man diese „Hochschüsse“ korrigieren, so sind dazu ca. 4 bis 6 Klicks nach tief notwendig (bei gleichem Zielbild!).

Fall 2 / 25m-Schütze schiesst 50m
Betrachten wir wiederum nur die Extremwerte. Die Resultate sagen aus, dass wenn ein Schütze mit seiner auf die Distanz von 25m eingeschossenen Waffe auf die Distanz von 50m wechselt und keine Korrektur an der Visierung vornimmt, der Treffer auf der Scheibe je nach verwendeter Munition und Waffe zwischen 37 und 54 mm unter das Scheibenzentrum zu liegen kommt. Da der 10er-Ring der 50m-Scheibe einen Durchmesser von 100mm aufweist, bedeutet dies, dass nahezu alle seiner Treffer, unabhängig von Munitionssorte und Waffe immer noch in den 10er-Ring zu liegen kommen (Tiefschüsse bis 50mm).
Rein theoretisch ist keine Visierkorrektur notwendig. Auf jedenfalls reicht eine nicht vorgenommene Visierkorrektur nicht als Ausrede für ein schlechtes Resultat. Auch bei der maximalen Abweichung sind alle Treffer noch mindestens Neuner. Dies setzt aber zusätzlich noch voraus, dass der Schütze auf beide Distanzen mit exakt gleichem Zielbild arbeitet. In der Realität ist dies aber selten der Fall.
So, auch für diesen Fall nun zur korrekten Antwort auf die Frage „Wie viele Klicks?“. Will man diese „Tiefschüsse“ korrigieren, so sind dazu ca. 4 bis 5 Klicks nach hoch notwendig (bei gleichem Zielbild!).

Anmerkung zur Präzision

Alle aufgeführten Überlegungen, definierte Parameter und Berechnungen haben absolut keinen Einfluss auf die Präzision. Die Überlegungen gehen sogar im Gegenteil von einer absoluten Präzision aus, d.h. Schwankungen bedingt durch Fertigungs- und Waffentoleranzen werden nicht berücksichtigt. Ebenso werden die Streuungen des Schützen als nicht existent angenommen.

Der Autor steht natürlich für Fragen, weitergehende Erklärungen gerne zur Verfügung. Gleichzeit ist er aber auch an Euren Erfahrungen interessiert. Verstellt jemand seine Visierung beim Distanzwechsel? Wenn ja, wie viele Klicks? Freue mich auf Reaktionen.

Bernhard Paolini        E-Mail : b-r.paolini(at)smile.ch